Schlagwort-Archiv: ADR-Kanzlei

Stellungnahme zum Entwurf der Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren

Stellungnahme zum Entwurf der Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren 

Der Bundesverband Mediation hat eine Stellungnahme zum Entwurf der Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren vom 14.1.2014 abgegeben:http://www.bmev.de/fileadmin/downloads/mediationsgesetz/bm_stellungnahme_entwurf_verordnung_zertifizierte_mediator_2014.pdf

 

Gefahr durch außergerichtliche Konfliktlösung aufgrund fehlender Urteile?

Gefahr durch außergerichtliche Konfliktlösung aufgrund fehlender Urteile?

 Die Gesellschaft braucht den Richterspruch. Nur so kommt es zu einer Rechtsfortbildung, Rechtsentwicklung und einem stabilen Normensystem, das der Identifikation und dem Zusammenhalt der Gesellschaft dient.

Nun ist es aber nicht so, dass auch jeder Konflikt den „legalen Formen“ zur Bearbeitung angetragen wird. Der Regelfall ist, dass ein Konflikt zwischen den Parteien ausgetragen wird und es keiner Entscheidung eines Dritten bedarf. Der Großteil aller Konflikte könnte im Sinne einer Rechtsentwicklung gesellschaftlich höchst spannend sein – es kommt nur nie zu einer Kenntnis der Öffentlichkeit, weil die Parteien selbst miteinander verhandeln. Die Mediation greift diese Form der Auseinandersetzung in Form von Verhandlungen auf und führt diese lediglich in strukturierterer Form weiter. Hier liegt ein großer Unterschied zu anderen ADR-Verfahren (insb. zu Schiedsverfahren), bei denen ein Dritter entscheidet, die Entscheidung wegen der Vertraulichkeit aber keinen Nutzen für die Gesellschaft hat. Anders als bei Verhandlungen, deren Grundlage nicht das Recht sein muss, muss eine Entscheidung des Dritten einen abstrakteren Maßstab haben, d.h. sie ergeht auch auf Basis und unter Auslegung des Normensystems – und hier stellt sich durchaus die Frage, inwieweit das zu einer Schmälerung der Rechtsentwicklung und des gesellschaftlichen Zusammenhalts führt. Hier muss aber sorgsam zwischen den einzelnen Verfahren getrennt werden.

 

Kriterien zur Vereinbarkeit von Verbraucherschutz und ADR

Kriterien zur Vereinbarkeit von Verbraucherschutz und ADR bei der Umsetzung der EU-Richtlinie über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten in nationales Recht

Am 09.07.2013 ist die Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten in Kraft getreten. Künftig sollen Verbraucherinnen und Verbraucher EU-weit alle Vertragsstreitigkeiten in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen einer unparteiischen und qualifizierten Stelle vorlegen können, um mit ihrer Hilfe eine außergerichtliche Streitbeilegung zu erreichen (AS-Richtlinie). Ergänzt wird diese Richtlinie durch die zeitgleich in Kraft getretene Verordnung über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (OS-Verordnung).

Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, ein flächendeckendes Angebot an geeigneten AS-Stellen für die Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten in allen Wirtschaftsbereichen zu gewährleisten. Es handelt sich um eine so genannte Rahmenrichtlinie mit einer vergleichsweise geringen Regelungsdichte, deren Einzelheiten durch die jeweiligen Mitgliedsstaaten umzusetzen sind. Die OS-Verordnung entfaltet unmittelbare Geltung. Sie betrifft die Einrichtung einer EU-weit online zu erreichenden Plattform, die maßgeblich Verbraucher dabei unterstützen soll, im Fall von grenzüberschreitenden Streitigkeiten die zuständige AS-Stelle zu finden. Eine Streitbeilegung selbst erfolgt über die Plattform nicht, auch muss nicht zwingend eine Online-Beilegung des Konflikts durch die AS-Stelle durchgeführt werden.

Für den deutschen Gesetzgeber bedeutet die Verpflichtung zur Umsetzung der AS-Richtlinie, die von der EU verfolgten Ziele durch das nationale Recht zu verwirklichen und hierzu Kriterien zu entwickeln, wie sich Verbraucherschutz und AS bestmöglich vereinbaren lassen. Die Umsetzungsmaßnahmen des deutschen Gesetzgebers sind aufgrund der Richtlinie auf die Schaffung eines flächendeckenden Systems von AS-Stellen gerichtet, begrenzen sich darauf aber auch. Die Richtlinie macht, anders als noch in ihrem Entwurf vorgesehen, keine verbindlichen Vorgaben für alle Personen oder Stellen, die Mediation, Schlichtung oder Schiedsgerichtsbarkeit betreiben. Insbesondere außergerichtliche Verfahren, die ad hoc für eine einzelne Streitigkeit zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer eingerichtet werden, gelten nicht als AS-Verfahren im Sinne der Richtlinie.

Der nationale Gesetzgeber ist deshalb nicht zu einer Schaffung von Standards für AS insgesamt verpflichtet, sondern nur soweit das von ihm zu gewährleistende institutionelle AS-System betroffen ist. Der nationale Gesetzgeber ist bei der Umsetzung dem Postulat der Effektivität verpflichtet. Konkret gilt es, mit der Richtlinie die folgenden drei wichtigsten Ziele der EU zu erreichen: Schaffung eines flächendeckenden Angebots von AS-Systemen zur Ermöglichung einer außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten der Verbraucher mit Unternehmern im In- und EU-Ausland, Gewährleistung der Qualität von AS-Systemen undSicherstellung der Bekanntheit von AS-Systemen und hinreichende Informationen der Verbraucher und Unternehmer über die Vorteile der Nutzung von AS-Mechanismen.

Dies vorausgesetzt, stellt sich die Frage: Was sollte der deutsche Gesetzgeber idealerweise wie in nationales Recht umsetzen?

Einige Kernthesen:

1.

Hinsichtlich des Zuständigkeitsbereichs der AS-Stellen können diese entweder sektorenspezifisch oder allgemeinzuständig sein. Aufgrund der bereits etablierten Strukturen, dass es nämlich bereits über 250, oftmals gut funktionierende AS-Stellen in diversen Branchen in Deutschland gibt, scheint es sinnvoll, weiterhin eine spezialisierte Struktur aufrecht zu erhalten. Zusätzlich sollte aber eine Art Auffangstelle eingerichtet werden für die Streitigkeiten, für die keine Stelle zuständig ist, sowie eine Dach-Organisation als zentrale Anlaufstelle, um dem Verbraucher den Zugang zu einer AS-Stelle zu vereinfachen.

2.

Der Staat kann wegen der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Grundgesetz die Errichtung von AS-Stellen durch Private weder vorschreiben noch ihre Gründung durch Private verbieten. Sollten sich Unternehmen, Kammern, Verbände etc. einer Branche nicht zu einer Gründung einer AS-Stelle verpflichten, scheint deshalb eine staatliche Errichtung unumgänglich. Dies sollte allerdings beschränkt werden auf die Ausfüllung von Lücken im AS-System. Die Errichtung von parallelen staatlichen Stellen zu bereits existierenden privat errichteten Stellen wäre zwar prinzipiell zulässig, aber letztlich vor allem verwirrend für den Verbraucher und daher nicht wünschenswert, so dass hierauf, wenn möglich, verzichtet werden sollte.

3.

Die Finanzierung der AS-Stellen kann grundsätzlich über Mitgliedsbeiträge, über Gebühren oder durch staatliche Subventionierung erfolgen. Im Ergebnis spricht am meisten für die Erhebung von Gebühren (die die Unternehmen zu tragen haben). Hauptargumente sind:

a) Vermeidung des Prinzips „Wer die Musik bestellt, bestimmt, was spielt“,

b) Neutralitätsproblematik (Konfliktbearbeiter wird vom angeschlossenen Unternehmen bezahlt),

c) Verursacherprinzip (nur derjenige, der in ein Verfahren gezogen wird, zahlt),

d) Lerneffekt. Bei darüber hinausgehenden Finanzierungslücken sollte der Staat einspringen müssen (Hauptargument: erwartete Schätzungen gehen von immensen Einsparungen aus, von denen geschätzte 20 Mrd. jährlich in den Markt fließen – entsprechend hoch sind die Steigerungen der Umsatzsteuer, die wiederum nicht zweckgebunden ist und daher auch zur Finanzierung der AS-Stellen eingesetzt werden kann).

4.

Die Verbraucher dürfen an den Verfahrenskosten nicht beteiligt werden, sollten aber zur Vermeidung eines missbräuchlichen Anrufens der AS-Stellen eine geringe Schutzgebühr zahlen, die anteilsmäßig im Falle des Obsiegens zurückerstattet wird (vom Unternehmen).

5.

Die Unternehmen sollten nicht generell zur Teilnahme an den AS-Verfahren verpflichtet werden. Besteht nämlich keine echte Freiwilligkeit, könnte die Teilnahme zur reinen Farce werden und sich letztlich kontraproduktiv auf die Akzeptanz von ADR-Verfahren insgesamt auswirken. Der Staat sollte aber Anreize zur Teilnahme setzen, insbesondere durch die Einführung einer Art Gütesiegel.

6.

Verbraucher sollten verpflichtet werden, zunächst eine Beschwerde beim Unternehmen einzureichen, bevor sie die AS-Stellen anrufen dürfen. Hierzu sollte eine Frist aufgenommen werden, ebenso wie für den Zeitraum, innerhalb derer der Verbraucher die Beschwerde vor der AS-Stelle geltend machen muss. Nach der Richtlinie sollte sie mindestens ein Jahr betragen. Sinnvoll erscheint, eine gleichlaufende Regelung zu den Bestimmungen der Verjährung von Ansprüchen aus Kauf-, Werk- und Dienstvertrag aufzunehmen, um weder eine Besser- noch eine Schlechterstellung gegenüber den gerichtlichen Verfahren zu bewirken, sondern eben eine Alternative.

7.

Die Aufnahme von Mindest-Schwellenwerten, ab deren Erreichen eine Anrufung der AS-Stellen erst möglich ist, scheint hingegen weniger empfehlenswert. Ein missbräuchliches Anrufen einer AS-Stelle kann durch die Erhebung einer Schutzgebühr ebenso erreicht werden. Sinn ist aber gerade, auch für Streitigkeiten über kleinere Beträge ein Rechtsschutzsystem zu schaffen. Obergrenzen verbindlich einzuführen, scheinen ebenfalls nicht sinnvoll; es sollte aber den AS-Stellen freigestellt bleibe, ab vorab definierten Beträgen zu entscheiden, ob sie die Durchführung eines Verfahren ablehnen möchten.

8.

Die Richtlinie gilt nicht für Gesundheitsdienstleistungen und im Bildungsbereich. Hier ergeben sich erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten im Einzelfall (Bsp: Kauf eines Produkts, das sowohl Apotheker als auch Drogeriemarkt führt: im 1. Fall kein AS-Verfahren möglich, im 2. Fall schon; Bsp.: im Privatschulwesen muss es AS-Stellen geben, im staatlichen Wesen nicht usw.), weswegen diverse Klarstellungen und Präzisierungen notwendig sein werden.

9.

Keinesfalls sollte der deutsche Gesetzgeber Gebrauch machen von der Möglichkeit, Verfahren vor den AS-Stellen zuzulassen, die den ordentlichen Rechtsweg ausschließen. Hauptargumente: a) AS-Stellen sind nicht Recht und Gesetz verpflichtet, b) es gelten nicht die gleichen Form- und Verfahrensvorschriften wie bei den vergleichbaren Schiedsverfahren, c) Parteien suchen ihren Schiedsrichter nicht aus, d) die Entscheidung über Schiedsverfahren wird idR vor Entstehen der Streitigkeit getroffen, e) es bestehen Bedenken am Entzug des gesetzlichen Richters, vgl. Art. 103 Grundgesetz. Einseitige, nur das Unternehmen bindende Entscheidungen, dürfen hingegen in gewissen Grenzen für zulässig erklärt werden.

10.

Für den Fall, dass Mediationen vor den AS-Stellen durchgeführt werden, sollte das Mediationsgesetz Anwendung finden. Die Vereinbarkeit mit dessen Vorgaben (Wahl des Mediators, Verschwiegenheitspflicht (AS-Stellen haben Berichtspflichten), Eigenverantwortlichkeit der Lösungsfindung, die ggf. Zeit erfordert, bei den AS-Stellen aber aufgrund des Postulats der Effizienz Zeit- und Budgetbegrenzungen bestehen, usw.) ist allerdings schwierig, weswegen der Anwendungsbereich für dieses Verfahren vor AS-Stellen sehr beschränkt sein dürfte. IdR werden die AS-Verfahren vermutlich als Schlichtungen erfolgen.

11.

Zu vermeiden ist jedoch die derzeitige Praxis der meisten AS-Stellen, sich vorab auf ein Verfahren festzulegen. Die AS-Stellen sollten vielmehr dazu verpflichtet werden, eine sorgfältige Konfliktanalyse und geeignete Verfahrenswahl durchzuführen.

12.

Weiterhin scheint eine über die Richtlinie hinausgehende Regelung zur Gewährleistung der Vertraulichkeit von allen AS-Verfahren analog § 4 MediationsG für möglich und geboten.

13.

In Bezug auf die Bekanntmachung der AS-Stellen sollten über die Bestimmungen der Richtlinie hinaus die Unternehmen nicht nur auf der Website und in den AGB auf die zuständige AS-Stelle hinweisen müssen, sondern auch auf Rechnungen und Quittungen, weil dies die Dokumente ist, auf die Verbraucher im Streitfall zunächst Zugriff nehmen. Allerdings sollte dies nur für die an AS-Stellen angeschlossene Unternehmen gelten.

14.

Eine bußgeldbewehrte Sanktion für den Fall, dass den entsprechenden Hinweispflichten seitens der Unternehmen nicht nachgekommen wird, etwa analog TMG, scheint nicht sinnvoll. Die Kontrolle (und ggf. Versagung der Teilnahme an den AS-Verfahren) durch die AS-Stellen würde sich als geeignetere Maßnahme erweisen.

15.

Ein Umsetzungsgesetz dürfte letztlich keine rechtpolitischen Nachteile haben. Schwierigkeiten bestehen allerdings vor allem dahingehend, dass durch die Umsetzung der AS-Richtlinie das Verfahren der Mediation für den Verbraucherbereich generell quasi ausgeschlossen ist: Vor den AS-Stellen lassen sich die Anforderungen des MediationsG wegen des Postulats der Effektivität kaum realisieren; aufgrund der Kostenfreiheit des Verfahrens für den Verbraucher wird dieser aber kaum eine alternative Mediation anstreben. Dies könnte zu dem Gesetz zur „Förderung der Mediation“ in Widerspruch stehen, zumal generell derzeit nur das „gefördert“ wird, was der Mediation entgegensteht (weiteres Stichwort: Prozess- aber keine Mediationskostenhilfe). Da sich aus dem Mediationsgesetz aber keine Handlungsanforderungen ergeben, ist letztlich der Gesetzgeber nur moralisch herausgefordert. Ebenso besteht die Gefahr der Begriffsverwässerung und Unklarheit durch die Existenz zu vieler alternativer Verfahren, mit denen der Verbraucher konfrontiert wird. Der Gesetzgeber ist daher gehalten, eine Konturierung sicherzustellen, um nicht letztlich den Verbraucherschutzgedanken ins Gegenteil zu verkehren, indem durch eine Überflutung mit Begrifflichkeiten und Verfahrensmöglichkeiten nur Verwirrung erzeugt wird, und die Verfahren deshalb nicht genutzt werden. Zum Schluss bleibt zu diskutieren, inwieweit die Gefahr besteht, dass durch die Umgehung von gerichtlichen Verfahren eine allgemeine Rechtsfortbildung und damit auch Verbrauchersicherheit unterbleibt, da die Konfliktbearbeiter nicht an Recht und Gesetz gebunden sind, die Verfahren nicht öffentlich sind usw. Daher sollte der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit von Sammelverfahren und beschränkten Veröffentlichungsverpflichtungen der AS-Stellen Gebrauch machen.